Ein anderer Mann

Kurt Tucholsky

https://www.youtube.com/watch?v=VC7eas5NMzw

Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.

Er plaudert. Er ist zu dir nett.

Er kann dir alle Tenniscracks nennen.

Er sieht gut aus. Ohne Fett.

Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an ...

Und dann tritt zu euch beiden dein Mann.

Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.

Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.

Wie er schon dasteht — du liebe Güte!

Und hinten am Hals der Speck!

Und du denkst dir so: "Eigentlich ...

Der da wäre ein Mann für mich!"

Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren

Und guten alten Papa!

Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren

Ständest du ebenso da!

Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;

Dann kennst du ihn in Unterhosen;

Dann wird er satt in deinem Besitze;

Dann kennst du alle seine Witze.

Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,

Von oben und unten, von hinten und vorn ...

Glaub mir: wenn man uns näher kennt,

Gibt sich das mit dem happy end.

Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier ...

Und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.

Beurteil uns nie nach den besten Stunden.

Und hast du einen Kerl gefunden,

Mit dem man einigermaßen auskommen kann:

Dann bleib bei dem eigenen Mann!

Das letzte Kapitel

Erich Kästner

https://www.youtube.com/watch?v=fKoYIzOHW3I (1:50)

Am 12. Juli des Jahres 2003

Lief folgender Funkspruch rund um die Erde:

Dass ein Bombengeschwader der Luftpolizei

Die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,

Dass der Plan, endgültig Frieden zu stiften,

Sich gar nicht anders verwirklichen lässt,

Als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck.

Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.

Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck.

Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend

Mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort

Und vollbrachten, rund um den Globus sausend,

Den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.

Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.

Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.

Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen.

Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer.

Das Gift war überall. Es schlich wie auf Zehen.

Es lief die Wüsten entlang. Und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.

Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus.

Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.

Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.

Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.

Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten,

Unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.

Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.

Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte,

völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.



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