Mark Twain

Die schreckliche deutsche Sprache

Oft ging ich ins Heidelberger Schloss, um mir die Raritätensammlung anzusehen, und eines Tages überraschte ich den Kustos mit meinem Deutsch. Ich redete gänzlich in die­ser Sprache. Er war sehr interessiert; und nachdem ich eine Weile gesprochen hatte, sagte er, mein Deutsch sei höchst seltsam, möglicherweise ein „Unikumˮ, und wollte es seinem Museum einverleiben.

Wenn er gewusst hätte, was mich diese Fer­tigkeit zu erwerben gekostet hatte, hätte er auch gewusst, dass jeder Sammler dem Ruin entgegenging, der sie kaufen wollte. Harns und ich hatten damals mehrere Wochen lang hart an unserem Deutsch gearbeitet, und obwohl wir gute Fortschritte erzielt hatten, war uns das nur unter großen Schwierigkei­ten und Behinderungen gelungen, denn in der Zwischenzeit waren uns drei Lehrer wegge­storben. Ein Mensch, der nicht Deutsch gelernt hat, kann sich gar keine Vorstellung davon machen, was das für eine komplizierte Sprache ist.

Ganz bestimmt gibt es keine andere Spra­che, die so ungeordnet und unsystematisch, so schlüpfrig und unfassbar ist; man treibt völlig hilflos in ihr umher, hierhin und dahin; und wenn man schließlich glaubt, man hät­te eine Regel erwischt, die festen Boden böte, auf dem man inmitten der allgemeinen Unru­he und Raserei der zehn Wortarten ausruhen könne, blättert man um und liest: „Der Schüler beachte sorgfältig folgende Aus­nahmen. ˮ Man lässt das Auge darüber hin­weg gleiten und entdeckt, dass es mehr Aus­nahmen von der Regel als Beispiele für sie gibt. Und so geht man wieder über Bord, um wieder einen Ararat zu suchen und wieder Treibsand zu finden. So ging es mir und geht es mir noch. Jedes Mal, wenn ich glaube, einen dieser vier verwirrenden Fälle da zu haben, wo ich ihn meistern kann, schleicht sich eine scheinbar unbedeutende Präposi­tion in meinen Satz ein, ausgestattet mit einer furchtbaren und ungeahnten Macht, und lässt den Boden unter mir wegbröckeln. Zum Bei­spiel erkundigt sich mein Buch nach einem bestimmten Vogel (es erkundigt sich immer­zu nach Sachen, die niemandem irgend etwas bedeuten): „Wo ist der Vogel?ˮ Nun ist -laut Buch — die Antwort auf diese Frage, dass der Vogel wegen des Regens in der Schmie­de warte. Natürlich macht das kein Vogel, aber man muss sich eben an das Buch halten. Na gut, ich fange an, mir das Deutsch für die­se Antwort auszuklamüsern. Ich fange not­wendigerweise am falschen Ende an, denn das ist die deutsche Auffassung. Ich sage mir: „Regenˮ ist männlich — oder vielleicht ist es weiblich — oder möglicherweise säch­lich — es macht jetzt zu viel Mühe, nachzu­schlagen. Also ist es entweder „derˮ Regen oder „dieˮ Regen oder „dasˮ Regen, je nach­dem, was dabei herauskommt, wenn ich nachschlage. Im Interesse der Wissenschaft werde ich von der Hypothese ausgehen, es sei männlich. Sehr schön, dann ist es „derˮ Regen, wenn er sich nur in dem ruhenden Zu­stand des Erwähntwerdens befindet, ohne Weiterung oder Erörterung — Nominativ: aber wenn dieser Regen in gewissermaßen allgemeiner Weise auf dem Boden herum­liegt, dann ist er genau lokalisiert, er tut etwas — das heißt, er ruht (was eine der Vor­stellungen der deutschen Grammatik von „tunˮ ist), und das versetzt den Regen in den Dativ und macht „demˮ Regen daraus. Die­ser Regen jedoch ruht nicht, sondern tut aktiv etwas: er fällt — vermutlich, um dem Vogel in die Quere zu kommen — und das zeigt Bewegung an, was die Wirkung hat, ihn in den Akkusativ rutschen zu lassen, und „demˮ Regen zu „denˮ Regen macht. Nachdem ich das grammatikalische Horoskop dieses Fal­les fertiggestellt habe, melde ich mich zuver­sichtlich und gebe auf deutsch bekannt, dass der Vogel sich „wegen den Regenˮ in der Schmiede aufhalte. Dann lässt mich der Leh­rer gelinde mit der Bemerkung abblitzen, dass das Wörtchen „wegenˮ, sobald es in einen Satz hineinplatze, stets das Subjekt ohne Rücksicht auf die Folgen in den Geni­tiv versetze und dass deshalb dieser Vogel „wegen des Regensˮ in der Schmiede geblie­ben sei.

Übrigens, von einer höheren Autorität erfuhr ich später, dass es eine „Ausnahmeˮ gebe, die es einem gestatte, unter gewissen eigentümlichen und verwickelten Umstän­den „wegen den Regenˮ zu sagen, aber dass diese Ausnahme ausschließlich bei Regen gelte.

Es gibt zehn Wortarten, und alle sind sie schwierig. Ein Durchschnittssatz in einer deutschen Zeitung ist eine erhabene und ehr­furchtgebietende Kuriosität; er nimmt eine Viertelspalte ein; er enthält alle zehn Wort­arten — nicht in der gehörigen Reihenfolge, sondern durcheinandergewürfelt. Er ist hauptsächlich aus zusammengesetzten Wör­tern gebaut, die der Schreiber an Ort und Stelle konstruiert hat und die in keinem Wör­terbuch zu finden sind — sechs oder sieben in eines zusammengepresste Wörter ohne Naht oder Saum — das heißt, ohne Binde­striche. Er handelt von vierzehn oder fünf­zehn verschiedenen Gegenständen, jeder in einer eigenen Parenthese eingeschlossen, mit zusätzlichen Parenthesen hier und da, die wiederum drei oder vier Unterparenthesen einschließen, so dass Hürden innerhalb der Hürden entstehen; schließlich werden alle Parenthesen und Unterparenthesen zwischen zwei Überparenthesen zusammengeballt, deren eine in der ersten Zeile des majestä­tischen Satzes liegt und die andere in der Mitte der letzten Zeile — und danach kommt das Verb, und man bekommt zum ersten Mal heraus, wovon der Mann gesprochen hat; und nach dem Verb — nur als Verzierung, soweit ich es ausmachen kann — schaufelt der Schreiber „haben sind gewesen gehabt haben geworden seinˮ oder Worte ähnlicher Bedeu­tung hinein, und das Monument ist fertig. Ich nehme an, dass dieses abschließende Hurra so etwas wie der Schnörkel bei einer Unter­schrift ist — nicht notwendig, aber hübsch. Deutsche Bücher sind ziemlich leicht zu lesen, wenn man sie vor den Spiegel hält oder sich auf den Kopf stellt — um den Auf­bau umzukehren -, aber ich glaube, eine deutsche Zeitung lesen und verstehen zu ler­nen ist eine Sache, die muss einem Auslän­der stets unmöglich bleiben.

Aber sogar die deutschen Bücher sind nicht ganz frei von Anfällen der Parenthesenstau­pe — obwohl diese gewöhnlich so mild ver­läuft, dass sie nur ein paar Zeilen umfasst, und daher vermittelt das Verb, wenn man sich endlich zu ihm hinabgearbeitet hat, dem Ver­stand noch einen gewissen Sinn, weil man sich noch an eine ganze Menge von dem erinnern kann, was davor stand.

Hier folgt nun ein Satz aus einem belieb­ten und ausgezeichneten deutschen Roman — mit einer kleinen Parenthese darin. Ich werde ihn absolut wörtlich übersetzen und zur Unterstützung des Lesers die Klammern und ein paar Bindestriche hinzufügen -obwohl im Original keine Klammern oder Bindestriche stehen und es dem Leser überlassen bleibt, sich bis zu dem fernen Verb hindurchzumühen, so gut er kann:

„Wenn er aber auf der Straße der (in-Samt-und-Seide-gehüllten-jetzt-sehr-ungeniert-nach-der-neuesten-Mode-gekleideten) Regierungsrätin begegnetˮ, und so weiter und so fort.

Das ist aus dem Roman „Das Geheimnis der alten Mamsellˮ von Frau Marlitt. Und dieser Satz ist nach dem höchst bewährten deutschen Muster gebaut. Sie sehen, wie weit das Verb von der Operationsbasis des Lesers entfernt ist; na, in einer deutschen Zeitung setzen sie ihr Verb drüben auf die nächste Seite hin; und ich habe gehört, dass sie manchmal, wenn sie eine oder zwei Spalten lang aufregende Einleitungen und Parenthe­sen daher geschwafelt haben, in Zeitnot gera­ten und in Druck gehen müssen, ohne über­haupt bis zum Verb gekommen zu sein. Natürlich lässt das den Leser in einem Zustand starker Erschöpfung und Unwis­senheit sitzen.

Auch in unserer Literatur haben wir die Parenthesenkrankheit; und Fälle davon kann man täglich in unseren Büchern und Zei­tungen sehen; aber bei uns ist sie Merkmal und Kennzeichen eines ungeübten Verfas­sers oder eines trüben Verstandes, während sie bei den Deutschen zweifellos Merkmal und Kennzeichen einer routinierten Feder und Zeugnis jener Art leuchtenden intellek­tuellen Nebels ist, den diese Leute für Klar­heit halten. Denn es ist bestimmt nicht Klar­heit — es kann überhaupt nicht Klarheit sein. Selbst ein Schwurgericht hätte genug Scharf­sinn, um das herauszukriegen. Die Gedan­ken eines Schriftstellers müssen ziemlich verworren, ziemlich aus der Reibe geraten sein, wenn er ansetzt, zu sagen, ein Mann habe auf der Straße eine Regierungsrätin getroffen, und dann mitten in einem so ein­fachen Vorhaben die aufeinander zukom­menden Leute anhält und stillstehen lässt, bis er eine Aufstellung der Kleider der Frau nie­dergeschrieben hat. Das ist einfach absurd. Es erinnert an jene Zahnärzte, die sich dein unmittelbares und atemloses Interesse an einem Zahn sichern, indem sie ihn mit der Zange packen, und dann dastehen und sich durch eine langweilige Anekdote nölen, be­vor sie den gefürchteten Ruck machen. Parenthesen in der Literatur und der Zahn­heilkunde sind geschmacklos.

Die Deutschen haben noch eine Art von Parenthese, die sie bilden, indem sie ein Verb in zwei Teile spalten und die eine Hälfte an den Anfang eines aufregenden Absatzes stel­len und die andere Hälfte an das Ende. Kann sich jemand etwas Verwirrenderes vorstel­len? Diese Dinger werden „trennbare Ver­benˮ genannt. Die deutsche Grammatik ist übersät von trennbaren Verben wie von den Blasen eines Ausschlags; und je weiter die zwei Teile auseinandergezogen sind, desto zufriedener ist der Urheber des Verbrechens mit seinem Werk. Ein beliebtes Verb ist „rei­ste abˮ. Hier folgt ein Beispiel, das ich aus einem Roman ausgewählt und ins Englische übertragen habe:

„Da die Koffer nun bereit waren, REISTE er, nachdem er seine Mutter und Schwestern geküsst und noch einmal sein angebetetes Gretchen an den Busen gedrückt hatte, die, in schlichten weißen Musselin gekleidet, mit einer einzigen Teerose in den weiten Wellen ihres üppigen braunen Haares, kraftlos die Stufen herabgewankt war, noch bleich von der Angst und Aufregung des vergangenen Abends, aber voller Sehnsucht, ihren armen, schmerzenden Kopf noch einmal an die Brust dessen zu legen, den sie inniger liebte als ihr Leben, AB.ˮ

Es ist jedoch nicht richtig, allzu lange bei den trennbaren Verben zu verweilen. Ganz bestimmt verliert man dabei sehr bald die Geduld; und wenn man an dem Thema klebt und sich nicht warnen lässt, wird es einem schließlich das Gehirn erweichen oder ver­härten. Personalpronomen und Adjektive sind in dieser Sprache eine wuchernde Pla­ge und hätten weggelassen werden sollen. Der gleiche Laut „sieˮ zum Beispiel bedeu­tet „youˮ und bedeutet „sheˮ und bedeutet „herˮ und bedeutet „itˮ und bedeutet „theyˮ und bedeutet „themˮ. Man stelle sich die lumpige Armut einer Sprache vor, die ein Wort die Arbeit von sechsen tun lassen muss — und noch dazu ein armes, kleines, schwa­ches Ding von nur drei Buchstaben. Aber vor allem stelle man sich vor, wie es erbit­tert, wenn man nie weiß, welche dieser Bedeutungen der Sprecher ausdrücken will. Das erklärt, warum ich, wenn jemand „sieˮ zu mir sagt, gewöhnlich versuche, ihn umzu­bringen, wenn es ein Fremder ist.

Man betrachte nun das Adjektiv. Hier lag ein Fall vor, wo Einfachheit ein Vorteil gewe­sen wäre; deshalb und aus keinem anderen Grunde hat der Erfinder dieser Sprache es so sehr kompliziert, wie er nur konnte. Wenn wir in unserer erleuchteten Sprache von „our good friend or friendsˮ sprechen wollen, hal­ten wir uns an diese eine Form und haben kei­nen Kummer oder Ärger damit; aber bei der deutschen Sprache ist es anders. Wenn ein Deutscher ein Adjektiv in die Hände kriegt, dekliniert er es und dekliniert es immer wei­ter, bis der gesunde Menschenverstand ganz und gar herausdekliniert ist. Es ist genau so schlimm wie Latein. Er sagt zum Beispiel:

SINGULAR

Nominativ:

mein guter Freund, my good friend

Genitiv:

meines guten Freundes, of my good friend

Dativ:

meinem guten Freunde, to my good friend

Akkusativ:

meinen guten Freund, my good friend

PLURAL

Nominativ:

meine guten Freunde, my good friends

Genitiv:

meiner guten Freunde, of my good friends

Dativ:

meinen guten Freunden, to my good friends

Akkusativ:

meine guten Freunde, my good friends

Nun lasse man den Irrenhauskandidaten ver­suchen, diese Variationen auswendig zu ler­nen, und sehe zu, wie bald er aufgenommen wird. Man möchte in Deutschland lieber ohne Freunde auskommen, als sich ihretwe­gen alle diese Mühe zu machen. Ich habe gezeigt, was es für eine Plage ist, einen gut­en (männlichen) Freund zu deklinieren; na, das ist nur ein Drittel der Arbeit, denn man muss eine Vielzahl neuer Verdrehungen des Adjektivs lernen, wenn das Objekt weiblich ist, und noch eine weitere Vielzahl, wenn das Objekt sächlich ist. Nun gibt es in die­ser Sprache mehr Adjektive als schwarze Katzen in der Schweiz, und sie müssen alle so sorgfältig dekliniert werden wie die oben angedeuteten Beispiele. Schwierig? — müh­sam? — diese Worte können es gar nicht beschreiben. Ich habe einen kalifornischen Studenten in Heidelberg in seiner gelassen­sten Laune sagen hören, er würde lieber zwei Schnäpse ablehnen als ein deutsches Adjek­tiv deklinieren.

Der Erfinder dieser Sprache scheint sich ein Vergnügen daraus gemacht zu haben, sie in jeder Form, die er sich nur ausdenken konnte, zu komplizieren. Zum Beispiel schreibt man, wenn man zufällig über ein Haus oder ein Pferd oder einen Hund spricht, diese Wörter so, wie ich es getan habe; aber wenn man von ihnen im Dativ spricht, klebt man ein dummes und unnötiges -e dran und schreibt Hause, Pferde, Hunde. Da nun ein angehängtes -e oft den Plural bedeutet, wie das -s bei uns, wird der unerfahrene Schüler vermutlich einen Monat lang immerzu aus einem Dativhund Zwillinge machen, bevor er seinen Fehler entdeckt; und auf der ande­ren Seite hat manch unerfahrener Schüler, der sich einen Verlust kaum leisten konnte, zwei Hunde gekauft und bezahlt und nur einen bekommen, weil er, ohne es zu wissen, diesen Hund im Dativ des Singulars gekauft hat, während er tatsächlich annahm, er rede­te im Plural — wobei natürlich nach den stren­gen Regeln der Grammatik das Recht auf der Seite des Verkäufers lag und deshalb eine Klage auf Rückerstattung keinen Erfolg haben konnte.

In Deutschland fangen alle Substantive mit einem Großbuchstaben an. Das ist nun mal eine gute Idee; und eine gute Idee fällt in die­ser Sprache notwendigerweise wegen ihrer Einsamkeit auf. Ich halte die Großschrei­bung der Substantive für eine gute Idee, weil man daran fast immer das Hauptwort erken­nen kann, sobald man es sieht. Gelegentlich gerät man in einen Irrtum, weil man den Namen einer Person fälschlich für den Namen einer Sache hält und ziemlich viel Zeit mit dem Versuch vergeudet, einen Sinn herauszugraben. Deutsche Namen bedeuten fast immer etwas, und das trägt dazu bei, den Lernenden zu täuschen. Einmal habe ich eine Stelle übersetzt, die besagte, dass „die wütende Tigerin ausbrach und den unglück­seligen Tannenwald ganz und gar ver­schlangˮ. Als ich mich gerade rüstete, das zu bezweifeln, entdeckte ich, dass „Tannenwaldˮ in diesem Falle der Name eines Mannes war.

Jedes Substantiv hat ein Geschlecht, und in dessen Verteilung liegt kein Sinn und kein System; deshalb muss das Geschlecht jedes einzelnen Hauptwortes für sich auswendig gelernt werden. Es gibt keinen anderen Weg. Zu diesem Zwecke muss man das Gedächt­nis eines Notizbuches haben. Im Deutschen hat ein Fräulein kein Geschlecht, während eine weiße Rübe eines hat. Man denke nur, aufweiche übertriebene Verehrung der Rübe

das deutet und auf welche dickfellige Respektlosigkeit dem Fräulein gegenüber. Sehen wir mal, wie das gedruckt aussieht. Ich übersetze das aus einer Unterhaltung in einem der besten deutschen Sonntagsschul­bücher:

Gretchen: „Wilhelm, wo ist die Rübe?ˮ

Wilhelm: „Sie ist in die Küche gekommen.ˮ

Gretchen: „Wo ist das gebildete und schöne englische Mädchen?ˮ

Wilhelm: „Es ist in die Oper gegangen.ˮ

Um mit deutschen Geschlechtern fortzufah­ren: Ein Baum ist männlich, seine Knospen sind weiblich, seine Blätter sind sächlich; Pferde sind geschlechtslos, Hunde sind männlich, Katzen sind weiblich — natürlich einschließlich der Kater; jemandes Mund, Hals, Busen, Ellbogen, Finger, Nägel, Füße und Leib gehören dem männlichen Ge­schlecht an, und sein Kopf ist männlich oder sächlich, je nach dem Wort, das zur Bezeich­nung gewählt wird, und nicht nach dem Geschlecht der Person, die ihn trägt — denn in Deutschland tragen alle Frauen entweder männliche oder geschlechtslose Köpfe; jemandes Nase, Lippen, Schultern, Brust, Hände, Hüften und Zehen gehören dem weiblichen Geschlecht an; und seine Haare, Ohren, Augen, Kinn, Beine, Knie, Herz und Gewissen haben überhaupt kein Geschlecht. Der Erfinder der Sprache hat wahrschein­lich das, was er vom Gewissen wusste, vom Hör immer erfahren.

Nun wird der Leser aus der oben ange­führten Aufteilung erkennen, dass in Deutsch­land ein Mann vielleicht glaubt, er sei ein Mann, aber wenn er darangeht, die Sache eingehender zu betrachten, müssen ihm Zweifel kommen; er stellt fest, dass er in nüchterner Wahrheit eine überaus lächerli­che Mischung ist; und wenn er sich schließ­lich mit dem Gedanken zu trösten versucht, er könne sich wenigstens darauf verlassen, dass ein Drittel des Durcheinanders männlich und maskulin ist, wird der erniedrigende zweite Gedanke ihn schnell daran erinnern, dass er in dieser Beziehung nicht besser dran ist als jede Frau oder Kuh im Lande.

Es ist wahr, dass im Deutschen durch irgendein Versehen des Erfinders der Spra­che eine Frau weiblich ist, aber ein Weib nicht — was bedauerlich ist. Ein Weib hat hier kein Geschlecht; sie ist neutrum; und so ist nach der Grammatik ein Fisch er, seine Schuppen sind sie, aber ein Fischweib ist keines von beiden. Eine Frau als geschlechts­los zu bezeichnen, mag man Untercharakte­risierung nennen, das ist schlimm genug, aber Übercharakterisierung ist gewiss schlim­mer. Ein Deutscher spricht von einem eng­lischen Mann als einem „Engländerˮ; um das Geschlecht zu ändern, fügt er „-inˮ hin­zu, und das bedeutet englische Frau — „Engländerinˮ. Das scheint eine ausrei­chende Kennzeichnung zu sein, aber für einen Deutschen ist es immer noch nicht exakt genug; also setzt er vor das Wort den Artikel, der darauf hinweist, dass das fol­gende Geschöpf weiblich ist, und schreibt es so hin: „die Engländerinˮ. Ich finde, dass die­se Person übercharakterisiert ist.

Schön, nachdem nun der Schüler das Geschlecht einer großen Menge von Sub­stantiven gelernt hat, ist er immer noch in einer schwierigen Lage, denn es ist ihm unmöglich, seine Zunge zu überreden, Din­ge mit „erˮ und „sieˮ und „ihmˮ und „ihrˮ zu bezeichnen, die sie immer mit „esˮ zu bezeichnen gewöhnt war. Sogar wenn er sich im Geiste einen deutschen Satz mit den ihms und ihrs an den richtigen Stellen zurechtlegt und dann seinen Mut bis zu dem Punkt auf­heizt, den Satz auch auszusprechen, hat es keinen Zweck — sobald er zu sprechen anfängt, macht seine Zunge nicht mit, und alle die mühsam erarbeiteten Männlichkei­ten und Weiblichkeiten kommen als „esˮ her­aus. Und sogar wenn er für sich Deutsch liest, nennt er diese Sachen immer „esˮ, wohingegen er in folgender Weise lesen soll­te:

Geschichte von dem Fischweib und sei­nem traurigen Schicksal

Es ist ein rauher Tag. Hört den Regen, wie er strömt, und den Hagel, wie er prasselt; und seht den Schnee, wie er dahintreibt, und oh, den Schlamm, wie tiefer ist! Ach, das arme Fischweib, es steckt im Sumpfe fest, es hat seinen Fischkorb fallen lassen; und seine Hände sind von den Schuppen zerschnitten worden, als es nach einigen der fallenden Fische griff; und eine Schuppe ist ihm sogar ins Auge gedrungen, und es kann sie nicht herausbekommen. Es öffnet den Mund, um Hilfe zu rufen, aber wenn ein Laut aus ihm herausdringt, ach! wird er vom Wüten des Sturmes erstickt. Und jetzt hat eine Katze einen der Fische erwischt, und sie wird gewiss mit ihm entkommen. Nein; sie beißt eine Flosse ab, sie hält sie im Maul — wird sie sie verschlingen? Nein, der tapfere Hund des Fischweibes verlässt seine Jungen und rettet die Flosse, die er zur Belohnung selbst auffrisst. Entsetzlich! Der Blitz hat den Fischkorb getroffen! Er setzt ihn in Brand! Seht die Flamme, wie sie das dem Untergang geweihte Utensil mit ihrer roten und zorni­gen Zunge beleckt! Nun greift sie den Fuß des hilflosen Fischweibes an — sie verbrennt ihn bis auf die große Zehe, und selbst diese ist halb verbrannt; und noch immer breitet sie sich aus, lässt sie ihre feurigen Zungen lodern! Sie greift das Bein des Fischweibes an und vernichtet es; sie greift seine Hand an und vernichtet sie; sie greift seine arme, abgetragene Kleidung an und vernichtet auch sie; sie greift seinen Leib an und ver­brennt ihn; sie schlingt sich um sein Herz, und es wird verbrannt; dann um seine Brust, und in einem Augenblick ist sie Asche; nun erreicht sie seinen Hals — weg ist er; nun sein Kinn — weg ist es; nun seine Nase — weg ist sie. Wenn keine Hilfe kommt, wird im näch­sten Augenblick das Fischweib nicht mehr sein! Die Zeit drängt — ist niemand da, zu helfen und zu retten? Ja! Frohlocken, Frohlocken! Mit fliegenden Füßen kommt die Engländerin! Aber ach! Die großherzi­ge Frau kommt zu spät! Wo ist jetzt das dem Verhängnis verfallene Fischweib? Es ist von seinen Leiden erlöst; es ist in ein besseres Reich eingegangen; alles, was von ihm übrig ist, um die Klagen der Lieben zu hören, ist dieser arme, schwelende Aschenhaufen. Ach, trauriger, trauriger Aschenhaufen! Lasst uns ihn zart, ehrfurchtsvoll auf die beschei­dene Schaufel nehmen und ihn zu seiner langen Ruhe tragen mit dem Gebet, wenn er wieder auferstehe, möge es in einem Reich geschehen, wo er ein gutes, ordentliches, handfestes, verlässliches Geschlecht besäße, und zwar ganz für sich allein, ohne einen schäbigen Haufen verschiedener Ge­schlechter fleckförmig über sich verstreut herumschleppen zu müssen.

Bitte sehr, der Leser kann selbst sehen, dass diese Pronomengeschichte für die ungeübte Zunge eine sehr missliche Sache ist.

Ich nehme an, dass die Ähnlichkeit in Schriftbild und Klang zwischen Wörtern, die keine Ähnlichkeit in der Bedeutung besitzen, für den Ausländer in allen Spra­chen eine unerschöpfliche Quelle der Ver­wirrung darstellt. Das gilt für unsere Spra­che, und das gilt besonders für das Deutsche. Da ist nun das beschwerliche Wort „ver­mähltˮ; für mich hat es eine so große — ent­weder wirkliche oder eingebildete — Ähn­lichkeit zu drei oder vier anderen Wörtern, dass ich nie weiß, ob es „verschmähtˮ, „gemaltˮ, „verdächtigˮ oder „verheiratetˮ heißt, bis ich im Wörterbuch nachschlage und dann feststelle, dass es letzteres bedeu­tet. Solche Wörter gibt es haufenweise, und sie sind eine große Plage. Um die Schwie­rigkeiten zu mehren, gibt es Wörter, die ein­ander zu ähneln scheinen und sich doch nicht ähneln; aber sie machen genau so viel Ärger, als täten sie es. Zum Beispiel gibt es das Wort „vermietenˮ und das Wort „ver­heiratenˮ. Ich habe von einem Engländer gehört, der in Heidelberg an die Tür eines Mannes klopfte und im besten Deutsch, das er beherrschte, vorschlug, dieses Haus zu „verheiratenˮ. Dann gibt es einige Wörter, die eine Sache bedeuten, wenn man die erste Silbe betont, aber etwas ganz anderes, wenn man die Betonung auf die letzte Silbe ver­legt. Zum Beispiel gibt es ein Wort, das je nach der Betonung Ausreißen bedeutet oder das schnelle Durchblättern eines Buches; und ein anderes Wort, das mit jemandem „verkehrenˮ oder jemanden „meidenˮ bedeutet, je nachdem, wohin man die Beto­nung verlegt — und man kann sich gewöhn­lich darauf verlassen, dass man sie an die falsche Stelle verlegt und Ärger bekommt.

In dieser Sprache gibt es einige höchst nützliche Wörter:

„Schlagˮ zum Beispiel, und „Zugˮ. Im Wörterbuch stehen drei viertel Spalten Schlags und anderthalb Spalten Zugs. Das Wort „Schlagˮ bedeutet Stoß, Streich, Schmiss, Hieb, Erschütterung, Klaps, Klatsch, Zeitmaß, Takt, Münzenprägen. Gepräge, Art, Rasse, Weise, Apoplexie. Holzfällen, Gehege, Flurstück, Waldrodung. Das ist seine einfache und genaue Bedeu­tung — das heißt, seine beschränkte, ein­geengte Bedeutung; aber es gibt Mittel, es freizusetzen, damit es sich aufschwingen kann wie auf den Flügeln des Morgens, um nie zur Ruhe zu kommen. Man kann ihm je­des beliebige Wort an den Schwanz hängen und ihm jede Bedeutung geben, die man nur möchte. Man kann mit „Schlagaderˮ anfan­gen, was Arterie bedeutet, und man kann das ganze Lexikon Wort für Wort anhängen, durch das ganze Alphabet hindurch, bis „Schlagwasserˮ, was Leckwasser bedeutet, und einschließlich „Schlagmutterˮ, was Schwiegermutter bedeutet.

Genauso mit „Zugˮ. Strenggenommen heißt Zug: Ruck, Zerren, Luftstrom, ProZession, Marsch, Vormarsch, Schar, Rich­tung, Feldzug, Eisenbahn, Karawane, Durchreise, Kolbenhub, Anflug, Linie, Schnörkel, Charaktereigenschaft, Gesichts­bildung, Merkmal, Schachbewegung, Orgel­klappe, Gespann, Rauchen, Hang, Schubla­de, Neigung, Inhalation, Veranlagung; aber das, was es nicht bedeutet, wenn alle seine legitimen Anhängsel angefügt sind, hat noch niemand entdeckt.

Man kann die Nützlichkeit von Schlag und Zug gar nicht überschätzen. Nur mit diesen beiden und mit dem Wort „alsoˮ bewaffnet, was kann der Ausländer auf deutschem Boden nicht alles erreichen? Das deutsche Wort „alsoˮ entspricht der englischen Phra­se „you knowˮ, und das bedeutet überhaupt nichts — in der Unterhaltung, obwohl es ge­druckt manchmal doch etwas bedeutet. Jedes Mal, wenn ein Deutscher den Mund öffnet, fällt ein „alsoˮ heraus; und jedes Mal, wenn er ihn schließt, beißt er eines entzwei, das gerade herauskommen wollte.

Nun, mit diesen drei prachtvollen Wör­tern ausgerüstet, ist der Ausländer Herr der Lage. Er mag nur furchtlos daherreden; er mag nur sein leidliches Deutsch dahinplätschern lassen, und wenn ihm ein Wort fehlt, mag er einen „Schlagˮ in das Vakuum hie­ven; alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass es sauber hineinpasst; aber wenn nicht, mag er sofort einen „Zugˮ hinterher hieven; die zwei zusammen können kaum verfehlen, das Loch zu spunden; aber wenn sie durch ein Wunder doch versagen sollten, mag er einfach „Also!ˮ sagen, und das verschafft ihm einen Augenblick Zeit, sich das benötig­te Wort einfallen zu lassen. Wenn man in Deutschland seine Gesprächsflinte lädt, ist es immer zweckmäßig, einen oder zwei „Schlagˮ und einen oder zwei „Zugˮ mit hineinzustecken; denn gleichgültig, wie weit die übrige Ladung streuen mag, mit diesen wird man unbedingt etwas zur Strecke brin­gen. Dann sagt man sanft „alsoˮ und lädt wieder auf. Nichts verleiht einer deutschen oder englischen Unterhaltung einen solchen Anstrich von Anmut und Eleganz, als wenn man genügend „Alsosˮ oder „You knowsˮ einstreut.

In meinem Notizbuch finde ich folgende Eintragung:

„1. Juli. — Im Krankenhaus ist gestern einem Patienten mit Erfolg ein dreizehnsilbiges Wort entfernt worden — einem Nord­deutschen aus der Nähe von Hamburg -, aber da ihn die Chirurgen unglücklicher­weise unter dem Eindruck, er enthalte ein Panorama, an der falschen Stelle geöffnet hatten, ist er gestorben. Das beklagenswer­te Ereignis hat die ganze Gemeinde in Trau­er versetzt.ˮ

Dieser Abschnitt liefert den Stoff für ein paar Bemerkungen über eine der seltsamsten und merkwürdigsten Besonderheiten meines Themas — die Länge der deutschen Wörter. Einige deutsche Wörter sind so lang, dass sie eine Perspektive aufweisen. Man beachte folgende Beispiele:

Freundschaftsbezeigungen.

Dilettantenaufdringlichkeiten.

Stadtverordnetenversammlungen.

Diese Dinger sind keine Wörter, sie sind alphabetische Prozessionen. Und sie sind nicht selten; man kann jederzeit eine deut­sche Zeitung aufschlagen und sie maje­stätisch quer über die Seite marschieren sehen — und wenn man nur einen Funken Phantasie besitzt, kann man auch die Ban­ner sehen und die Musik hören. Sie verlei­hen dem sanftesten Thema einen kriegeri­schen Schmiss. Ich interessiere mich sehr für solche Kuriositäten. Wenn ich auf eine gute stoße, stopfe ich sie aus und stelle sie in mein Museum. Auf diese Weise habe ich eine recht wertvolle Sammlung geschaffen. Wenn ich Doubletten bekomme, tausche ich mit anderen Sammlern und mehre so die Vielseitigkeit meines Bestandes. Hier folgen einige Exemplare, die ich kürzlich bei der Versteigerung der Habe eines bankrotten Nippesjägers gekauft habe:

Generalstaatsverordnetenversammlungen.

Altertumswissenschaften.

Kinderbewahrungsanstalten.

Unabhängigkeitserklärungen.

Wiederherstellungsbestrebungen.

Waffenstillstandsunterhandlungen.

Wenn sich eine dieser großartigen Berg­ketten quer über die Druckseite zieht, schmückt und adelt sie natürlich diese litera­rische Landschaft — aber gleichzeitig berei­tet sie dem unerfahrenen Schüler großen Kummer, denn sie versperrt ihm den Weg; er kann nicht unter ihr durchkriechen oder über sie hinweg klettern oder sich einen Tun­nel durch sie hindurchgraben. Also wendet er sich hilfesuchend an sein Wörterbuch; aber da findet er keine Hilfe. Irgendwo muss das Wörterbuch eine Grenze ziehen — und so lässt es diese Art von Wörtern aus. Und das ist richtig, denn diese langen Dinger sind kaum echte Wörter, sondern eher Wort­kombinationen, und ihr Erfinder hätte umge­bracht werden müssen. Es sind zusammen­gesetzte Wörter, deren Bindestriche weg­gelassen sind. Die verschiedenen Wörter, aus denen sie aufgebaut sind, stehen im Wör­terbuch, aber sehr verstreut, so dass man die Wörter nacheinander aufstöbern kann und schließlich den Sinn herauskriegt, aber das ist eine langwierige und aufreibende Beschäftigung. Ich habe dieses Verfahren an einigen der oben angeführten Beispiele ausprobiert. „Freundschaftsbezeigungenˮ ist nur eine dumme und ungeschickte Art, „demonstrations of friendshipˮ zu sagen. „Unabhängigkeitserklärungenˮ ist keine Verbesserung gegenüber „Declarations of Independenceˮ, finde ich. „Generalstaatsverordnetenversammlungenˮ ist, soweit ich es feststellen kann, bloß ein rhythmischer, überspannter, gespreizter Ausdruck für „meetings of the legislatureˮ, scheint mir. In unserer Literatur hatten wir einmal eine ganze Menge Verbrechen dieser Art, aber die sind jetzt verschwunden. Wir sprachen damals von einer „nie-zu-vergessendenˮ Sache, statt alles in das schlichte und hin­reichende Wort „denkwürdigˮ zu zwängen und gelassen unseren Geschäften nachzugehen, als sei nichts geschehen. Damals waren wir nicht damit zufrieden, die Sache einzubalsamieren und auf anständige Wei­se zu begraben, wir wollten noch ein Monu­ment darüber errichten.

Aber in unseren Zeitungen wirkt die Zusammensetzungsseuche bis zum heuti­gen Tag noch ein bisschen fort, jedoch nach deutscher Art mit weggelassenen Binde­strichen. Sie nimmt folgende Form an: Statt zu sagen: „Mr. Simmons, Sekretär der Kreis-und Distriktsgerichte, war gestern in der Stadtˮ, wird es auf die neue Art so formu­liert: „Kreis- und Distriktsgerichtssekretär Simmons war gestern in der Stadt.ˮ Das spart weder Zeit noch Tinte und klingt außer­dem ungeschickt. In unseren Zeitungen fin­det man oft eine Bemerkung wie diese: „Frau Unterbezirksstaatsanwalt Johnson kehrte gestern für die Saison in ihre Stadtwohnung zurück.ˮ Das ist ein Fall von wirklich unberechtigter Zusammenzie­hung; denn er spart nicht nur keine Zeit und Mühe, sondern verleiht Frau Johnson einen Titel, auf den sie kein Recht hat. Aber die­se kleinen Beispiele sind wirklich Lappa­lien verglichen mit dem schwerfälligen und schrecklichen deutschen System, durchein­andergemengte Zusammensetzungen anzu­häufen. Ich möchte zur Illustration die fol­gende Lokalnotiz aus einer Mannheimer Tageszeitung vorlegen:

„Vorgesternkurznachelfuhrabend brannte der indieserstadtstehende Gasthof Zum Fuhrmann ab. Als das Feuer das aufdemabbrennendenhausruhende Storchennest er­reichte, flogen die Storcheltern fort. Aber als das vondemtobendenfeuerumgebene Nest selbst Feuer fing, stürzte sich sofort die schnellwiederkehrende Storchenmutter in die Flammen und starb, die Flügel über die Jungen gebreitet.ˮ

Selbst die schwerfällige deutsche Kon­struktion ist nicht fähig, dem Bilde das Pathos zu nehmen — tatsächlich scheint sie es irgendwie zu unterstreichen. Diese Notiz ist Monate zurück datiert. Ich hätte sie früher verwenden können, aber ich wartete noch darauf, etwas von dem Storchenvater zu hören. Ich warte immer noch.

Also! Wenn ich nicht bewiesen habe, dass das Deutsche eine schwierige Sprache ist, so habe ich es wenigstens beabsichtigt. Ich habe von einem amerikanischen Studenten gehört, der gefragt wurde, wie er mit seinem Deutsch vorankomme, und prompt antwor­tete: „Ich komme überhaupt nicht voran. Ich habe drei volle Monate lang hart daran ge­arbeitet, und alles, was ich vorweisen kann, ist nur der eine deutsche Satz: „Zwei Glas!ˮ (Zwei Glas Bier.) Er hielt einen Augenblick nachdenklich inne, dann fügte er mit Nach­druck hinzu: „Aber das sitzt!ˮ

Und wenn ich nicht auch bewiesen habe, dass Deutsch ein quälendes und erbitterndes Fach ist, dann ist meine Darstellung zu rügen, nicht meine Absicht. Ich habe kürz­lich von einem verhärmten und schwerge­prüften amerikanischen Studenten gehört, der immer, wenn er seine Kümmernisse nicht länger tragen konnte, zu einem bestimmten deutschen Wort seine Zuflucht nahm — dem einzigen Wort in der ganzen Sprache, dessen Klang seinem Ohr süß und köstlich und seinem gefolterten Geist wohl­tätig war. Es war das Wort „damitˮ. Nur der Klang war es, der ihm half, nicht die Bedeu­tung; und so wurde ihm schließlich, als er erfuhr, dass die Betonung nicht auf der ersten Silbe liege, seine einzige Stütze, sein einzi­ger Stab genommen, und er schwand dahin und starb.

Ich glaube, die Beschreibung eines lau­ten, erregenden tumulthaften Geschehens muss im Deutschen zahmer als im Engli­schen klingen. Unsere bildhaften Wörter dieser Art haben einen so tiefen, starken hal­lenden Klang, während ihre deutschen Ent­sprechungen so dünn und mild und ener­gielos klingen. Boom, burst, crash, roar, storm, bellow, blow, thunder, explosion; howl, cry, shout, yell, groan; battle, hell. Das sind großartige Wörter. Ihr Klang besitzt eine Kraft und Mächtigkeit, die den Dingen angemessen sind, die sie beschreiben. Aber ihre deutschen Entsprechungen wären viel zu niedlich, um Kinder damit in Schlaf zu singen, oder aber meine achtunggebietenden Ohren sind nur Schaustücke und nicht wesentlich nützlichere Instrumente zur Klanganalyse. Würde irgendein Mensch in einer Auseinandersetzung sterben wollen, die mit einem so harmlosen Ausdruck wie „Schlachtˮ benannt würde? Oder würde sich ein Schwindsüchtiger nicht zu dick verpackt vorkommen, wenn er, nur mit Hemdkragen und Siegelring bekleidet, in einen Sturm hinausgehen wollte, den zu beschreiben das an Vogelgezwitscher erinnernde Wort „Ge­witterˮverwendet würde? Und man beach­te die stärkste der verschiedenen deutschen Entsprechungen für „explosionˮ — „Aus­bruchˮ. Unser Wort Zahnbürste, „tooth-brushˮ, ist kräftiger. Mir scheint, die Deut­schen könnten Dümmeres tun, als es in ihre Sprache einzuführen, um besonders unge­heure Explosionen damit zu beschreiben. Das deutsche Wort für „hellˮ — Hölle — klingt mehr wie „hellyˮ als sonst etwas; wie dürr, nüchtern und ausdruckslos ist es also not­wendigerweise. Wenn einem Manne auf deutsch gesagt würde, er solle dorthin gehen, könnte er sich wirklich dazu aufschwingen, sich beleidigt zu fühlen?

Nachdem ich die verschiedenen Untu­genden dieser Sprache ausführlich aufge­zeigt habe, komme ich nun zu der kurzen und angenehmen Aufgabe, ihre Tugenden aufzuweisen. Die Großschreibung der Sub­stantive habe ich bereits erwähnt. Aber weit vor dieser Tugend kommt noch eine andere — dass ein Wort entsprechend seinem Klang geschrieben wird. Nach einer kurzen Beleh­rung über das Alphabet weiß der Schüler schon, wie jedes deutsche Wort ausgespro­chen wird, ohne fragen zu müssen; während wir in unserer Sprache, einem Schüler auf die Frage: „Was bedeutet das Wort b-o-w?ˮ antworten müssten: „Niemand kann sagen, was es heißt, wenn es für sich allein steht; man kann es nur sagen, wenn man es im Textzusammenhang betrachtet und auf die­se Weise seine Bedeutung ermittelt — ob es eine Sache ist, mit der man Pfeile abschießt, oder ein Kopfnicken oder das Vorderende eines Bootes.ˮ

Es gibt einige deutsche Wörter, die unge­wöhnlich ausdrucksstark sind. Zum Beispiel diejenigen, die das stille, friedliche und zärt­liche Familienleben beschreiben; diejeni­gen, die sich mit der Liebe in jeder Form befassen, von der einfachen Freundlichkeit und ehrlichem Wohlwollen dem vorüberschreitenden Fremden gegenüber bis hin­auf zum Liebeswerben; diejenigen, die sich mit der Natur draußen in ihren sanftesten und lieblichsten Formen befassen — mit Wie­sen und Wäldern, Vögeln und Blumen, dem Duft und Sonnenschein des Sommers und dem Mondlicht friedvoller Winternächte; mit einem Wort, diejenigen, die sich mit allen nur möglichen Formen der Untätig­keit, der Ruhe und des Friedens befassen; auch diejenigen, die sich mit den Geschöp­fen und Wundern des Märchenlandes befas­sen; und schließlich und hauptsächlich ist die Sprache in denjenigen Worten, die Pathos ausdrücken, unübertrefflich reich und ausdrucksstark. Es gibt deutsche Lieder, die einen mit der Sprache nicht Vertrauten zum Weinen bringen können. Das zeigt, dass der Klang der Worte stimmt — er gibt den Inhalt haargenau wieder; und auf diese Wei­se wird das Ohr angesprochen und über das Ohr das Herz.

Die Deutschen scheinen keine Angst davor zu haben, ein Wort zu wiederholen, wenn es das richtige ist. Sie wiederholen es sogar mehrmals, wenn sie wollen. Das ist klug. Aber wenn wir im Englischen ein Wort in einem Absatz mehrmals verwendet haben, bilden wir uns ein, tautologisch zu werden, und dann sind wir so schwach, dass wir es gegen irgendein anderes Wort auswechseln, das der genauen Bedeutung nur nahe kommt, um dem zu entgehen, was wir fälschlich für den größeren Makel halten. Wiederholung mag schlecht sein, aber bestimmt ist Ungenauigkeit schlimmer.

Es gibt in der Welt Leute, die sich ziem­lich viel Mühe geben, die Mängel an einer Religion oder Sprache aufzuzeigen, und dann gelassen ihrer Wege gehen, ohne Abhilfe vorzuschlagen. Ich bin kein Mensch dieser Art. Ich habe bewiesen, dass die deut­sche Sprache reformbedürftig ist. Nun gut. ich bin bereit, sie zu reformieren. Zumindest bin ich bereit, die geeigneten Vorschläge zu machen. Ein solches Vorgehen wäre bei jemand anderem unbescheiden; aber ich habe alles in allem mehr als neun Wochen einem gewissenhaften und kritischen Stu­dium dieser Sprache gewidmet und daraus ein Zutrauen zu meiner Fähigkeit gewonnen, sie zu reformieren, das mir eine bloß oberflächliche Bildung nicht hätte verlei­hen können.

An erster Stelle würde ich den Dativ fort­lassen. Er bringt die Plurale durcheinander: und außerdem weiß man nie, wann man sich im Dativ befindet, wenn man es nicht zufäl­lig entdeckt — und dann weiß man nicht, wann oder wo man hineingekommen ist oder wie lange man schon drin ist oder wie man jemals wieder herauskommen soll. Der Dativ ist nur eine närrische Verzierung — es ist besser, ihn aufzugeben.

Als nächstes würde ich das Verb weiter nach vorn schieben. Man kann mit einem noch so guten Verb laden, ich stelle doch fest, dass man bei der gegenwärtigen deut­schen Entfernung nie wirklich ein Subjekt zur Strecke bringt — man verletzt es nur. Deswegen bestehe ich darauf, dass diese wichtige Wortart an einen Punkt vorgeschoben wird, wo sie mit bloßem Auge leicht zu erkennen ist.

Drittens würde ich einige kräftige Wörter aus der englischen Sprache importieren -zum Fluchen und auch, um alle Arten kräf­tiger Dinge kräftig auszudrücken.

[Anmerkung: „Verdammtˮ und seine Abwandlungen und Erweiterungen sind Wörter, denen viel Bedeutung innewohnt, aber der Klang ist so mild und wirkungslos, dass deutsche Damen sie gebrauchen können, ohne sich zu versündigen. Deutsche Damen, die man durch keinerlei Überredung oder Zwang dazu bringen könnte, eine Sünde zu begehen, stoßen sofort eines dieser harmlo­sen kleinen Wörter aus, wenn sie ihr Kleid zerreißen oder die Suppe ihnen nicht schmeckt. Es klingt ungefähr so verrucht wie unser „My gracions!ˮ Deutsche Damen sagen immerzu „Ach Gott!ˮ, „Mein Gott!ˮ, „Gott im Himmel!ˮ, „Herrgott!ˮ, „Der Herr Jesus!ˮ und so weiter, vielleicht glauben sie, unsere Damen hätten denselben Brauch, denn ich habe einmal eine freundliche und liebe alte deutsche Dame zu einem reizen­den, jungen amerikanischen Mädchen sagen hören: „Die beiden Sprachen sind sich so ähnlich — wie nett; wir sagen „Ach Gott!ˮ und Sie sagen „Goddam!ˮ]

Viertens würde ich die Geschlechter reor­ganisieren und sie entsprechend dem Willen des Schöpfers verteilen. Dies als Ehr­furchtsbeweis, wenn schon nichts anderes.

Fünftens würde ich diese großmächtigen, langen, zusammengesetzten Wörter beseiti­gen; oder den Sprecher auffordern, sie in Abschnitten vorzubringen, mit Pausen zum Einnehmen von Erfrischungen. Das beste wäre, sie gänzlich zu beseitigen, denn Ideen werden leichter aufgenommen und verdaut, wenn sie einzeln kommen, als wenn sie in einem Haufen anrücken. Geistige Speise ist wie jede andere; es ist angenehmer und bekömmlicher, sie mit einem Löffel einzu­nehmen, als mit einer Schaufel.

Sechstens würde ich einen Sprecher auf­fordern, aufzuhören, wenn er fertig ist, und seiner Rede nicht eine Girlande dieser unnützen „haben sind gewesen gehabt haben geworden seinsˮ an den Schwanz zu hängen. Kinkerlitzchen dieser Art entehren eine Rede, statt ihr einen zusätzlichen Reiz zu verleihen. Sie sind daher ein Ärgernis und sollten verworfen werden.

Siebentens würde ich die Parenthese abschaffen. Ebenso die Unterparenthese, die Unterunterparenthese und die Unterunterunterunterunterunterparenthesen sowie die abschließende, weitreichende, allumfassen­de Hauptparenthese. Ich würde von jedem einzelnen, hoch oder niedrig, verlangen, dass er eine einfache, gradlinige Erzählung ent­wickle oder aber sie zusammenwickle, sich daraufsetze und still sei. Übertretungen die­ses Gesetzes sollten mit dem Tode bestraft werden.

Und achtens und letztens würde ich „Zugˮ und „Schlagˮ mit ihren Anhängseln beibe­halten und den Rest des Vokabulars ver­werfen. Das würde die Sache vereinfachen.

Nun habe ich angeführt, was ich als die notwendigsten und wichtigsten Änderun­gen betrachte. Man konnte wohl kaum erwarten, dass ich umsonst noch mehr nen­nen würde; aber es gibt weitere Vorschläge, die ich machen kann und werde, falls mei­ne beabsichtigte Bewerbung zur Folge hat, dass ich von der Regierung in aller Form dazu angestellt werde, die Sprache zu refor­mieren.

Meine philologischen Studien haben mich davon überzeugt, dass ein begabter Mann Englisch (ausgenommen Rechtschreibung und Aussprache) in dreißig Stunden lernen kann, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren. Es liegt also auf der Hand, dass die letztgenannte Sprache gestutzt und ausgebessert werden muss. Wenn sie so bleiben sollte, wie sie ist, müsste man sie sanft und ehrerbietig bei den toten Sprachen absetzen, denn nur die Toten haben Zeit, sie zu lernen.

Deutsch von Ana Maria Brock



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